Die EU setzt neue Maßstäbe: Mit einem KI-Verhaltenskodex beginnt der Countdown zur Regulierung generativer KI-Modelle.
Die Europäische Union hat einen Verhaltenskodex für sogenannte General-Purpose-KI-Systeme veröffentlicht. Darunter fallen Programme wie ChatGPT, Gemini oder DALL·E, die für verschiedenste Anwendungen trainiert wurden. Ziel ist es, Unternehmen Orientierung zu geben, bevor im August die ersten verbindlichen Regelungen des neuen KI-Gesetzes in Kraft treten. Der Kodex ist freiwillig, gilt jedoch als zentraler Schritt, um Sicherheit, Transparenz und Fairness im Umgang mit KI europaweit zu stärken.
Orientierung inmitten technologischer Unsicherheit
Der „Code of Practice“ ist ein Ergebnis monatelanger Verhandlungen zwischen Expertengruppen, Technologieanbietern, Forschungseinrichtungen und Behörden. Er enthält konkrete Empfehlungen zum Umgang mit generativer KI – unter anderem zur Transparenz über KI-generierte Inhalte, zur Vermeidung diskriminierender Tendenzen und zum respektvollen Umgang mit geistigem Eigentum. KI-Entwickler sollen offenlegen, mit welchen Daten ihre Modelle trainiert wurden und ob urheberrechtlich geschütztes Material dabei verwendet wurde.
Auch der Schutz vor Desinformation steht im Fokus. Künftig sollen Nutzer erkennen können, ob Inhalte – etwa Bilder oder Texte – von einer KI erzeugt wurden. Die EU betont, dass diese Selbstverpflichtung vor allem der Vertrauensbildung dienen soll. Unternehmen, die den Kodex unterzeichnen und umsetzen, könnten bei späteren Prüfungen Vorteile genießen.
Wirtschaft warnt vor Tempo und Belastung
Die Veröffentlichung des Kodex erfolgt nicht ohne Gegenwind. Anfang Juli forderten mehr als 45 europäische Unternehmen in einem offenen Brief eine Verschiebung der Umsetzung. Sie kritisierten das hohe Tempo und die wachsende Bürokratie. Auch internationale Technologiekonzerne äußerten Bedenken. Sie warnten, die komplexen Anforderungen könnten insbesondere kleinere Unternehmen überfordern und Innovationen bremsen. Einige sprachen gar von einer „digitalen Überregulierung“, die europäische Anbieter im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen bringen könnte.
Brüssel kontert mit Klarheit
Die EU-Kommission bleibt dennoch bei ihrem Kurs. Sie verweist darauf, dass der Kodex freiwillig sei und nicht als starre Regel, sondern als Orientierungshilfe diene. Gleichzeitig stellt sie klar: Die neuen Vorschriften im Rahmen des KI-Gesetzes seien notwendig, um ethische Grundprinzipien wie Datenschutz, Menschenwürde und Nichtdiskriminierung zu wahren. Die Kommission will mit dem Kodex ein Vorbild für andere Staaten setzen – in der Hoffnung, dass europäische Standards weltweit Nachahmung finden.

Vier Risikostufen für KI-Systeme
Das KI-Gesetz, das mit dem Kodex ergänzt wird, teilt Anwendungen in vier Risikoklassen ein. Systeme mit unvertretbarem Risiko, etwa für Massenüberwachung oder Social Scoring , werden vollständig verboten.
Hochrisikosysteme, wie KI in der Medizin oder bei Bewerbungsverfahren, müssen künftig strenge Nachweispflichten erfüllen. Systeme mit geringem Risiko, etwa Empfehlungssysteme für Musik oder Online-Shopping, sind kaum reguliert. Generative KI, wie Sprachmodelle, fällt in eine mittlere Kategorie mit spezifischen Transparenz- und Sicherheitsanforderungen.
Ab dem 2. August 2025 gelten für Entwickler generativer KI die ersten konkreten Pflichten. Weitere Bestimmungen für Hochrisikotechnologien folgen Anfang 2026. Unternehmen werden verpflichtet sein, ihre Systeme zu dokumentieren, Sicherheitsmechanismen einzubauen und Nutzern deutlich zu machen, wenn sie mit einer Maschine interagieren.
Ein europäischer Weg in der KI-Politik
Mit dem KI-Gesetz und dem Kodex nimmt die EU international eine Vorreiterrolle ein. Während Länder wie die USA oder China bislang weitgehend auf freiwillige Industrienormen setzen, versucht Europa einen Mittelweg zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit.
Kritiker sehen darin ein Risiko für den Standort, Befürworter hingegen einen ethischen Fortschritt. Für viele Unternehmen stellt sich nun die Frage, wie sie die neuen Vorgaben praktisch umsetzen können und zu welchem Preis.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Balanceakt gelingt. Die EU will Vertrauen in KI schaffen, ohne sie zu ersticken. Der jetzt veröffentlichte Kodex ist dabei nur der Anfang. Weitere Leitlinien und Kontrollmechanismen sollen folgen. Der Sommer 2025 markiert damit eine entscheidende Phase für die digitale Zukunft Europas.




