Die Inflationsrate in der Eurozone ist deutlich gesunken und liegt nun unter der 2 %-Marke. Das setzt die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, die Zinsen weiter zu senken, besonders zum Vorteil der deutschen Wirtschaft. Analysten erwarten bereits im Oktober eine Entscheidung in diese Richtung.
Inflationsrate fällt unter 2 %-Schwelle
Die Inflationsrate in der Eurozone ist unter 2 % gesunken. Laut den neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland im September nur noch um 1,8 %. Das ist das erste Mal seit mehr als drei Jahren, dass die sogenannte HVPI-Inflationsrate das 2 %-Ziel unterschreitet. Diese Entwicklung bietet der EZB eine Möglichkeit, die Leitzinsen zu senken, und die Stimmen dafür werden lauter.
Auch in anderen Ländern der Eurozone zeigen sich ähnliche Entwicklungen. In Frankreich und Spanien fiel die Inflation ebenfalls, während sie in Italien sogar unter 1 % gesunken ist. Diese Zahlen lassen viele Ökonomen hoffen, dass die Phase hoher Inflation vorerst beendet ist.
Deutsche Wirtschaft sehnt sich nach Zinssenkungen
Was bedeutet das nun für die deutsche Wirtschaft? Der Wunsch nach niedrigeren Zinsen ist in Deutschland deutlich spürbar. Nachlassende Inflation, schwaches Wachstum und ein stagnierender Arbeitsmarkt sind Gründe genug, um auf eine Lockerung der Geldpolitik zu hoffen. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, erklärte: „Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die EZB unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank, die Zinsen schneller zu senken.“
Niedrigere Zinsen würden die Kreditvergabe beleben und könnten der stagnierenden Wirtschaft einen dringend benötigten Impuls geben. Wenn Kredite für Unternehmen und private Haushalte günstiger werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Investitionen und Konsumausgaben wieder anziehen.
Inflationsrate sinkt auch in anderen Teilen Europas
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen großen Volkswirtschaften Europas zeigen sich positive Entwicklungen. In Frankreich sank die Inflation auf 1,5 % und in Spanien auf 1,7 %. Italien meldete sogar nur noch 0,8 %. Die abklingenden Inflationsraten sind für die EZB ein Signal, dass der Weg für weitere Zinssenkungen frei sein könnte.
Am Dienstag wird die Inflationsschätzung für den gesamten Euro-Raum veröffentlicht. Viele Marktteilnehmer erwarten auch hier einen deutlichen Rückgang. Die gesunkenen Inflationszahlen geben der EZB den Spielraum, den sie benötigt, um ihre Zinspolitik anzupassen.
Kritik und Skepsis an schnellen Entscheidungen
Trotz der positiven Nachrichten mahnen einige Experten zur Vorsicht. Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg kommentierte: „Auf dem nun erreichten Niveau ist das Problem der Inflation deutlich entschärft.“ Allerdings warnen auch andere wie Sebastian Becker von Deutsche Bank Research: „Das Inflationsproblem ist nicht abschließend gelöst.“ Becker betont, dass auch die sogenannte Kerninflationsrate, die Preise ohne Energie und Lebensmittel, entscheidend sei.
Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft durch Inflationsrate
Auch die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft spielen eine wichtige Rolle. Jörg Dittrich, Präsident des Handwerks, beschrieb im Interview mit dem Handelsblatt die Lage als „Krise der gesamten Wirtschaft“. Besonders die Lohnnebenkosten und andere Kostenschocks belasten die Handwerksbetriebe stark. Diese strukturellen Schwächen tragen dazu bei, dass die Konjunktur nur schleppend vorankommt.
Friedrich Heinemann vom ZEW betont, dass eine Entspannung am Arbeitsmarkt ebenfalls notwendig sei, um den Inflationsdruck weiter zu verringern. Die schwache Konjunktur und mögliche Entlassungswellen könnten dazu beitragen, die Lohnforderungen wieder zu dämpfen.
EZB unter Druck – Entscheidung im Oktober?
Ein erneuter Zinsschritt der EZB könnte bereits im Oktober erfolgen. Bis vor Kurzem galt dies noch als unwahrscheinlich, doch die neuen Preisdaten und das insgesamt schwache wirtschaftliche Umfeld haben viele Analysten ihre Prognosen anpassen lassen. Die meisten Marktteilnehmer gehen mittlerweile davon aus, dass die EZB am 17. Oktober einen weiteren Zinsschritt beschließen könnte.
Dies wäre ein wichtiger Schritt, insbesondere für Deutschland, das stark auf günstige Kreditbedingungen angewiesen ist. Dass ausgerechnet Deutschland nun auf Zinssenkungen hofft, ist durchaus ironisch. Noch vor wenigen Jahren waren es vor allem deutsche Bankenvertreter, die die Niedrigzinspolitik der EZB kritisierten und von einer „Enteignung der Sparer“ sprachen.
Zinssenkungen allein reichen nicht
Obwohl viele die EZB-Entscheidung begrüßen, gibt es auch Zweifel. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, sagte: „Die Geldpolitik allein kann nicht den Weg aus der Stagnation weisen.“ Zinssenkungen mögen helfen, doch ohne tiefgreifende Strukturreformen wird die deutsche Wirtschaft nicht nachhaltig aus ihrer Schwächephase herauskommen.
Es braucht mehr als günstige Kredite. Strukturreformen, insbesondere im Arbeits- und Energiesektor, könnten langfristig dazu beitragen, die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Die jüngste Entwicklung der Inflationsrate bringt Hoffnung, aber auch Herausforderungen mit sich. Ob die EZB tatsächlich schon im Oktober handeln wird, bleibt abzuwarten.