Mario Draghis Warnung an Europas Wirtschaft

Mehrere Businessmänner stehen auf 500-Euro-Scheinen
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Europa steht wirtschaftlich auf der Bremse. Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi warnt vor einer tiefen Wettbewerbs- und Innovationskrise, die den Kontinent langfristig ins Abseits drängen könnte. Eine Analyse über den Zustand eines alten Riesen, der wieder lernen muss, schnell zu laufen.

Europas Wirtschaft im Abwärtsmodus – Warnzeichen aus Brüssel

Es ist ein ungewohnt scharfer Ton, mit dem Mario Draghi dieser Tage an die Öffentlichkeit tritt. Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, einst Retter des Euro während der Finanzkrise, ist heute Sonderbeauftragter der EU-Kommission für Wettbewerbsfähigkeit und er schlägt Alarm. Europa, sagt Draghi, verliere seine wirtschaftliche Stärke, seine Dynamik, ja seine Zukunftsfähigkeit. Seine Diagnose: „Wir leben über unsere strukturellen Möglichkeiten und reagieren zu langsam auf eine Welt, die sich radikal verändert.“

Draghi ist eigentlich kein Mann für Alarmismus. Als er im Jahr 2012 mit seinem legendären Satz „Whatever it takes“ den Euro rettete, tat er das mit technokratischer Präzision und politischem Gespür. Umso deutlicher scheint nun seine Warnung. Denn die Lage ist ernst: Die Wirtschaft der Europäischen Union wächst kaum noch. Im zweiten Quartal 2025 lag das Wachstum bei mageren 0,2 %. In den USA betrug es im selben Zeitraum fast 2 %.

Eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit

Draghi hat einen 350 Seiten starken Bericht vorgelegt, in dem er die Gründe für Europas Schwäche auflistet: zu hohe Energiekosten, zu wenig Innovation, zu langsame Bürokratie. Vor allem aber ein Mangel an strategischer Entschlossenheit. Nur elf Prozent seiner Reformvorschläge seien bislang umgesetzt, klagt er. „Wir reden zu viel und handeln zu wenig.“

Die Zahlen bestätigen ihn. Während amerikanische Tech-Giganten wie Nvidia, Apple oder Microsoft neue Rekordgewinne verbuchen, bleibt Europa im Digitalsektor weit zurück. In China wiederum entstehen ganze Industriezweige aus dem Nichts. Und zwar mit staatlicher Planung, massiver Förderung und einer Bevölkerung, die Veränderung als Chance begreift. Europa dagegen scheint in Verwaltungsverfahren und politischen Kompromissen zu verharren.

Europaflagge vor Kölner Dom

Deutschland als Sorgenkind

Besonders deutlich zeigt sich die Krise in Deutschland. Jahrzehntelang war die Bundesrepublik der Motor der europäischen Wirtschaft, Exportweltmeister, Stabilitätsanker. Doch seit der Energiekrise 2022 ist das Modell ins Wanken geraten. Die industrielle Basis schrumpft, Produktionskosten steigen, die Nachfrage aus Asien sinkt. Der Verband der Deutschen Industrie warnt: „Die Lage ist so ernst wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.“

Die Energiewende, einst als Zukunftsprojekt gefeiert, gestaltet sich teuer und bürokratisch. Der Verlust russischer Gasimporte hat die Strompreise für viele Unternehmen verdoppelt. Mittelständler verlagern Produktion ins Ausland, während Investitionen in Infrastruktur und Forschung seit Jahren stocken.
Eine alternde Gesellschaft

Hinzu kommt ein demografisches Problem, das lange unterschätzt wurde. Europa altert und mit ihm seine Belegschaften. Millionen Fachkräfte fehlen, während die Sozialsysteme unter Druck geraten. Ein Ökonom bringt es auf den Punkt: „Wir haben zu wenig junge Menschen, zu wenig Digitalisierung und zu viel Regulierung.“ Das wirkt sich auch auf die Innovationskraft aus. Start-ups klagen über mangelnden Zugang zu Risikokapital, Forscher über überbordende Antragspflichten. Ein junges Unternehmen in Deutschland braucht im Schnitt 18 Monate, um eine Genehmigung für ein neues Produktionsverfahren zu erhalten. In den USA dauert das oft keine acht Wochen.

Was Europa tun müsste

Draghis Bericht ist keine Untergangsprophezeiung, sondern ein Weckruf. Er fordert, dass Europa seine wirtschaftliche Zukunft selbst in die Hand nimmt: mehr gemeinsame Investitionen, weniger nationale Alleingänge, eine echte Industriepolitik. Dazu gehört eine tiefgreifende Reform des EU-Binnenmarktes, mehr Finanzierungsmöglichkeiten für Forschung und Technologie, ein strategischer Umgang mit Energie und Rohstoffen bzw. einem gewissen Tempo.

Mario Draghi plädiert für eine „europäische Agenda der Erneuerung“. Sie soll den Kontinent befähigen, bei Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz, grüner Energie und Biotechnologie wieder vorn mitzuspielen. Es gehe, sagt er, „nicht um Wachstum um jeden Preis, sondern um Wettbewerbsfähigkeit als Grundlage unseres sozialen Modells.“

Die politische Herausforderung

Doch der politische Wille fehlt. In Brüssel herrscht eine lähmende Mischung aus Krisenmüdigkeit und Detailversessenheit. Nationale Interessen blockieren Reformen, während Populisten in vielen Ländern einfache Antworten auf komplexe Fragen versprechen. Die EU steht damit vor einem Dilemma: Sie weiß, was zu tun wäre, aber irgendwie tut sie es nicht.

Ein Wettlauf mit der Zeit

Noch ist der Abstand zur Weltspitze nicht uneinholbar. Europa verfügt über eine gebildete Bevölkerung, eine starke Industrie, hohe Standards in Forschung und Umwelttechnologien. Doch diese Stärken drohen zu erodieren, wenn sie nicht mit Reformen flankiert werden. Mario Draghi, der nüchterne Technokrat, klingt ungewohnt emotional, wenn er sagt: „Wir sind zu wichtig, um in Mittelmäßigkeit zu versinken.“ Es ist ein Satz, der in Erinnerung bleiben dürfte und der beschreibt, worum es wirklich geht: um Europas Platz in einer Welt, die sich schneller verändert, als der alte Kontinent reagieren kann.

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