Neue EU-Richtlinie belastet Pharma- und Kosmetikindustrie

EU-Flaggen vor der Europäischen Kommission
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Die EU hat beschlossen, Klärwerke zu modernisieren, um schädliche Mikroschadstoffe effektiver aus dem Abwasser zu entfernen. Diese Maßnahme betrifft vor allem die Pharma- und Kosmetikindustrie, da sie für mindestens 80 % der entstehenden Kosten aufkommen soll. Steigen damit bald schon die Kosten für Produkte? Und werden Medikamente gar knapp?

EU wendet Verursacherprinzip an – Pharmaindustrie warnt

Die Pharma- und Kosmetikindustrie könnte es hart treffen. So sollen für mindestens 80 % der entstehenden Kosten zur Modernisierung von Klärwerken aufkommen. Die restlichen 20 % können je nach Entscheidung der Mitgliedstaaten variieren.

Das Prinzip basiert auf dem Verursacherprinzip. So stammen laut EU-Studien 92 % der Schadstoffe im Abwasser von Medikamenten und Kosmetikprodukten. Unternehmen wie L’Oréal und Verbände der Pharmabranche fürchten erhebliche wirtschaftliche Belastungen und warnen vor möglichen Medikamentenengpässen und steigenden Produktpreisen.

Auswirkungen auf Produktpreise und Engpässe

Dierk Schumacher, Geschäftsführer eines Desinfektionsmittelherstellers, prognostiziert drastische Preisanstiege. Desinfektionsmittel, die bisher 2,30 Euro pro Liter kosteten, könnten sich auf 9 Euro verteuern, was die Nachfrage erheblich senken könnte.

Zudem erwartet die Pharmaindustrie einen Anstieg der Kosten pro Tablette um bis zu 44 Cent, was besonders die Generika-Produktion belasten würde. Generika machen rund 80 % des Arzneimittelmarktes aus. Deren Preise sind durch staatliche Erstattungsregeln gedeckelt, wodurch eine Preisanpassung unmöglich ist. Dies könnte dazu führen, dass lebenswichtige Medikamente wie Antibiotika oder Krebsmittel vom Markt verschwinden, was bestehende Versorgungslücken verschärfen würde.

Belastung der Kosmetikbranche und Proteste

Auch die Kosmetikindustrie sieht sich vor großen Herausforderungen. Firmen wie Babor und Unilever kritisieren die pauschale Kostenverteilung, da sie auch Unternehmen betreffen würde, die nur wenig oder keine Mikroschadstoffe verursachen.

Unilever fordert, dass die Abgaben auf die tatsächlich enthaltenen Schadstoffmengen bezogen werden sollten. Die Branche rechnet mit erheblichen Preisanstiegen für Produkte wie Haut- und Sonnencremes.

Der Kosmetikverband IKW weist darauf hin, dass die Belastung durch Kosmetikprodukte nur etwa 1 % der Gesamtschadstoffe ausmacht und kritisiert die EU-Regelung als ungerecht.

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Umweltschutz und technologische Herausforderungen

Hinter der neuen Richtlinie steht die Sorge um die Umwelt: Mikroschadstoffe können bei Tieren und Pflanzen selbst in kleinsten Mengen tödlich wirken. Auch wenn keine akute Gefahr für Menschen besteht, da Trinkwasser bereits aufwendig gereinigt wird, fehlen Langzeitstudien zu den Folgen dieser Schadstoffe.

Um den Schadstoffgehalt zu reduzieren, sollen Klärwerke eine vierte Reinigungsstufe einführen, die z.B. durch Aktivkohlefiltration funktioniert. Diese Umrüstung ist technisch anspruchsvoll und teuer.

In Deutschland werden allein für den Ausbau der Klärwerke Kosten von bis zu 10 Milliarden Euro erwartet, mit zusätzlichen jährlichen Betriebskosten von etwa 1 Milliarde Euro.

Kritik an der Verursacherverteilung

Die Pharma- und Kosmetikindustrie argumentiert, dass auch andere Sektoren, wie Landwirtschaft oder Chemie, Verantwortung übernehmen sollten, da auch diese Schadstoffe ins Wasser einleiten.

Unternehmen wie Beiersdorf und Boehringer Ingelheim kritisieren die einseitige Belastung als diskriminierend. Der Kosmetikverband fordert, dass alle Verursacher anteilig zur Kasse gebeten werden, während Befürworter der Richtlinie darauf hinweisen, dass diese Industrien bisher kaum Anreize hatten, umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln.

Finanzielle und wirtschaftliche Folgen für den Standort Deutschland

Die Schätzungen zur finanziellen Belastung variieren erheblich. Während die EU-Kommission von 1,18 Milliarden Euro pro Jahr für ganz Europa ausgeht, erwartet das Umweltbundesamt allein in Deutschland Kosten von 1,2 Milliarden Euro jährlich.

Der Wirtschaftsrat der CDU warnt, dass die zusätzlichen Kosten deutsche Hersteller international benachteiligen könnten, da EU-Richtlinien hier oft schneller umgesetzt werden als anderswo.

Unternehmen wie der Desinfektionsmittelhersteller Schumacher erwägen sogar, Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern, da Länder wie Polen die neuen Regeln langsamer umsetzen.

Die Pharma- und Kosmetikindustrie wehrt sich so gut es geht und hofft, die finanziellen Schäden zumindest durch nationale Maßnahmen begrenzen zu können.

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