OMV könnte aus dem umstrittenen Gazprom-Vertrag aussteigen, da Gazprom seine Lieferpflichten verletzt hat. Ein Lieferstopp vom 16. November gilt als möglicher Vertragsbruch. Juristische Grundlagen und die Versorgungssicherheit der OMV stehen dabei im Fokus.
OMV und der Lieferstopp von Gazprom
Am 16. November 2024 stoppte Gazprom alle Gaslieferungen an die OMV. Dies geschah nach einem Schiedsverfahren, bei dem Gazprom der OMV 230 Millionen Euro Schadenersatz zahlen sollte. Die OMV kündigte daraufhin an, diesen Betrag mit offenen Rechnungen zu verrechnen und keine weiteren Zahlungen zu leisten. Der Lieferstopp bietet nun die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen.
Laut Zivilrechtsexperte Andreas Kletečka ist der Lieferstopp ein klarer Vertragsbruch. Das erlaubtdem Ölkonzern, rechtliche Schritte einzuleiten. Der Vertrag, der bis 2040 laufen sollte, könnte damit vorzeitig beendet werden.
Schwedisches Recht bietet der OMV Spielraum
Der Vertrag zwischen OMV und Gazprom unterliegt schwedischem Recht. Dieses sieht vor, dass eine Vertragskündigung möglich ist, wenn der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. „Wenn der Schuldner nicht liefert und auch nach einer gesetzten Nachfrist nicht reagiert, kann man den Vertrag beenden“, erklärt Kletečka.
Die Wahl des schwedischen Rechts als Grundlage ist bei internationalen Verträgen üblich. Es bietet eine neutrale Rechtsordnung, die unabhängig von den beteiligten Parteien ist. Diese Regelung erleichtert dem Ölkonzern den rechtlichen Umgang mit Gazprom.
OMV sichert alternative Gasquellen
Eine zentrale Frage ist, wie OMV die wegfallenden Mengen russischen Gases ersetzen will. Der Konzern betont, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Bereits jetzt hat die OMV auf alternative Lieferanten umgestellt. Flüssigerdgas (LNG) sowie Gaslieferungen aus Norwegen und den Niederlanden spielen dabei eine entscheidende Rolle.
„Die russischen Mengen können vollständig ersetzt werden“, erklärte Kletečka. Dies stärkt die Position der OMV, da eine Abhängigkeit von Gazprom langfristig nicht mehr besteht.
Politische Einflüsse auf die OMV
Neben den rechtlichen Aspekten untersucht eine Kommission des Klimaschutzministeriums die politischen Einflüsse auf den Gazprom-Vertrag. Die Kommission wurde im Juli 2024 eingesetzt und prüft sowohl die Kündigungsmöglichkeiten als auch die Entstehung des Vertrags. Die Ergebnisse werden bis Mitte Januar 2025 erwartet.
Energieministerin Leonore Gewessler hat mehrfach betont, dass sie einen Ausstieg aus dem Vertrag befürwortet. Die OMV selbst hält sich zurück und verweist auf die laufenden juristischen Prüfungen. Die politische Dimension bleibt jedoch ein bedeutender Faktor.
Folgen eines Vertragsausstiegs
Ein Ausstieg aus dem Gazprom-Vertrag wäre nicht ohne Risiken. Sollten Gazprom und OMV erneut vor ein Schiedsgericht ziehen, könnten die Verfahren langwierig und teuer werden. Dennoch sieht Kletečka die Erfolgsaussichten der OMV als hoch an. Der Lieferstopp sei eine klare Vertragsverletzung, die schwer zu widerlegen sei.
Ein weiteres Risiko besteht in der Reaktion Gazproms. Der russische Staatskonzern könnte versuchen, das Urteil des letzten Schiedsverfahrens anzufechten. Das könnte den Streit zwischen den beiden Unternehmen weiter eskalieren lassen.
OMV als Vorreiterin der Energiewende?
Ein erfolgreicher Ausstieg aus dem Gazprom-Vertrag könnte der OMV die Möglichkeit bieten, sich strategisch neu auszurichten. Der Fokus würde stärker auf erneuerbare Energien und die Diversifizierung von Gasquellen gelegt werden. Dies könnte nicht nur die Unabhängigkeit der OMV stärken, sondern auch das Image des Unternehmens verbessern.
Die Versorgungssicherheit bleibt jedoch oberstes Gebot. Die OMV muss zeigen, dass sie auch in Krisenzeiten stabile und verlässliche Energiequellen anbieten kann. Langfristig könnte das Unternehmen eine Vorreiterrolle in der europäischen Energiewende einnehmen.
Fazit
Der mögliche Ausstieg aus dem Gazprom-Vertrag könnte eine der wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte der OMV werden. Der Lieferstopp durch Gazprom schafft eine klare juristische Grundlage, doch die Konsequenzen müssen sorgfältig abgewogen werden. Politischer Druck und die öffentliche Meinung erhöhen den Handlungsdruck auf die OMV.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die OMV den Schritt wagt. Klar ist, dass eine Kündigung des Vertrags nicht nur die Energieversorgung des Konzerns, sondern auch die gesamte österreichische Energiepolitik nachhaltig verändern könnte. Die OMV steht vor einer historischen Weichenstellung, die weit über ihre Unternehmensgrenzen hinausgeht.