Nach dem großen Misserfolg bei der Forschung mit einem Blutgerinnungshemmer steht der deutsche Pharmakonzern Bayer nun vor der Herausforderung, schnellstmöglich wieder Erfolge zu erzielen.
Medikament gegen Wechselbeschwerden
Und tatsächlich gibt es einen Hoffnungsschimmer. Ein Medikament, das vor allem im Zusammenhang mit Wechselbeschwerden effektiv sein soll, hat im Test erste positive Ergebnisse gezeigt. In zwei von drei relevanten Zulassungsstudien hat das Medikament namens Elinzanetant alle gesteckten Ziele erreicht, wie der Konzern gegenüber der Presse am Montag bekannt gab.
Konkret geht man davon aus, dass das neue Medikament, das ohne Hormone auskommt, sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität von Hitzewallungen bei postmenopausalen Frauen verringert. Die Probandinnen berichteten etwa von einer Abnahme von Schlafstörungen und einer gesteigerten Lebensqualität durch die Anwendung des Medikaments.
Zulassung für 2025 erwartet
Die Ergebnisse der dritten Studie werden in den kommenden Monaten erwartet. Das Unternehmen strebt eine mögliche Zulassung des Medikaments ab dem Jahr 2025 an. Und man erwartet Großes, nämlich ein Umsatzpotenzial von einer Milliarde Euro.
Die Bedeutung dieses Medikaments ist aber nicht nur für zahlreiche Frauen, sondern vor allem auch für die Zukunft von Bayer relevant. Die Patente für die Milliardenmedikamente Xarelto und Eylea laufen ab 2026 nach und nach aus. Der Erfolg des wichtigsten Forschungsprojekts, des Gerinnungshemmers Asundexian, der eigentlich einen prognostizierten Umsatz von 5 Milliarden Euro hätte generieren sollen, ist ausgeblieben. Die Aktionäre zeigen sich zunehmend skeptisch, ob die Medikamente des Unternehmens überhaupt zukunftsfähig sind.
Aktionäre fordern Aufspaltung
Bayer steht aktuell unter einem enormen Druck. Im März will der CEO Bill Anderson bekannt geben, wie es mit dem Dax-Konzern weitergehen soll. Einige Aktionäre setzen sich seit langem für eine Aufspaltung oder zumindest eine Abspaltung bestimmter Unternehmensbereiche ein. Bisher besteht Bayer aus den Bereichen Pharma, Agrarchemie (die unter den Schulden von Monsanto leidet) und dem Geschäft mit verschreibungsfreien Medikamenten.
Im Geschäftsjahr 2022 erwirtschaftete die Bayer AG noch einen Rekordumsatz von weltweit rund 50,7 Milliarden Euro. Innerhalb dieses Bereichs machte der Bereich Frauengesundheit, der bisher hauptsächlich Hormonspiralen und Antibabypillen vertrieb, laut Berichten einen Anteil von über 2 Milliarden Euro aus. Mehr als die Hälfte des Umsatzes entfielen auf den Pharma- und Gesundheitsbereich, der wichtigste Treiber für das Rekordergebnis war jedoch der Agrarsektor. Einen großen Anteil daran hatte der Unkrautvernichter Glyphosat. Bayer profitierte von einem Preisanstieg aufgrund von Lieferengpässen, insbesondere bei chinesischen Produzenten.
Im 3. Quartal 2023 erwirtschaftete der Konzern einen weltweiten Umsatz von rund 10,3 Milliarden Euro und musste einen Verlust von rund 4,57 Milliarden Euro verbuchen. Der große Fehlbetrag lässt sich vor allem auf deutliche Preisrückgänge für das Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat sowie ein schwächer verlaufenes Pharmageschäft zurückführen.
Markt für neues Medikament sei riesig
Das neue Medikament wurde nicht intern von Bayer entwickelt, sondern durch einen Geschäftsabschluss erworben. Im Jahr 2020 übernahm Bayer die britische Biotech-Firma Kandy Therapeutics und sicherte sich damit den Wirkstoff. Für diese Übernahme zahlte Bayer im Voraus 425 Millionen Dollar. Es wurden auch weitere erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 450 Millionen Dollar bis zur Markteinführung sowie zusätzliche Umsatzbeteiligungen im dreistelligen Millionenbereich vereinbart.
Bayer betont, dass der Markt für das neue Medikament riesig sei. Bisher war die gängige Therapie für Wechseljahresbeschwerden eine Hormontherapie. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht: Das japanische Pharmaunternehmen Astellas erhielt bereits im Mai die FDA-Zulassung für sein nicht-hormonelles Mittel gegen Wechseljahresbeschwerden und ist seit Dezember in Europa zugelassen. Mit einer potenziellen Zulassung ab 2025 wäre Bayer also nicht das erste Unternehmen, das ein nicht-hormonelles Mittel gegen Wechseljahresbeschwerden auf den Markt bringt.
Traditionsunternehmen Bayer
Gegründet im Jahr 1863 in Barmen (Wuppertal) von Friedrich Bayer und Johann Friedrich Weskott, hat sich das Unternehmen zu einem weltweit operierenden Konzern mit rund 300 Beteiligungsgesellschaften und rund 100.000 Mitarbeitern rund um den Globus entwickelt. Das heute in Leverkusen ansässige Unternehmen ist seit der Restrukturierung 2016 und der Übernahme des umstrittenen Saatgutherstellers Monsantos 2018 auf die Zukunftsmärkte „Gesundheit“ und „Ernährung“ fokussiert. Der Konzern setzt sich aus den drei Divisionen Pharmaceuticals, Consumer Health und Crop Science zusammen.
Interessant ist auch, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nur der größte europäische Pharmamarkt, sondern mit einem globalen Marktanteil von rund 4 % auch der viertgrößte Pharmamarkt überhaupt ist.